(Leseprobe)
Vorwort: Hess. Berghauptmann a. D., Dr.-Ing. Hartmut Schade

Nachdem Karsten Porezag nach Stilllegung der letzten klassischen deutschen Eisenerzgrube Fortuna westlich von Wetzlar 1983 zusammen mit zwei Mitautoren den hessischen Eisenerzbergbau in seiner Entwicklung und Bedeutung dokumentiert und 1987 die Geschichte von Eisenerzbergbau und Hüttenwesen in der historischen Stadtgemarkung von Wetzlar beschrieben hat, hat er nun als sein bereits 15. Buch in mehrjähriger Arbeit die Geschichte des wahrscheinlich mindestens so alten, aber weithin unbekannten Kupfererzbergbaus seiner engeren Heimat, des Altkreises Wetzlar, aufgedeckt und in Wort und Bild ausführlich dargestellt.

Den Anstoß zu diesem umfangreichen Werk gab, wie der Autor eingangs selbst schreibt, eine von ihm als Vorsitzendem des Fördervereins Besucherbergwerk Fortuna zur Planung eines diesem benachbarten Großmuseums mit Museums- und Denkmalschutzfachleuten geführte Besprechung. Dabei wurde anlässlich von 1904 und 2008 bei Wetzlar gemachter Kupferbarrenfunde von der Bezirksarchäologin das Fehlen der „weithin unbekannten Geschichte des Kupfererzbergbaus im Raum Wetzlar mit seiner Erzförderung und -verhüttung“ beklagt. Der Herkunft und Entstehung des Kupfers nachgehend, ist Karsten Porezag dann über die Kupferverhüttung auf den ihr zugrunde liegenden Kupfererzbergbau und seine Lagerstätten gestoßen. Durch gründliche Forschung hat er beide der Vergessenheit entrissen und der Kupfererzgewinnung und -verhüttung im Altkreis Wetzlar ein verdientes Denkmal gesetzt.

Um diese Arbeit durchführen zu können, hat der Autor alle dafür in Frage kommenden Quellen wie private, staatliche und industrielle Archive und Akten und das beim Amtsgericht geführte Berggrundbuch, soweit zugänglich, eingesehen, ausgewertet und belegt. Obwohl Karsten Porezag aus der Bergbauregion Harz stammt und durch seine langjährige montangeschichtliche Forschung und leitende Verantwortung für das Besucherbergwerk Fortuna bei Wetzlar mit dem Bergbau vertraut ist, ist er beruflich kein Bergfachmann und hat daher eingehenden geologischen, mineralogischen, historischen, bergwirtschaftlichen, bergrechtlichen sowie vor allem berg- und hüttenmännischen Rat eingeholt. So ist ein folgerichtig aufgebautes Werk entstanden, das nach einer allgemeinen Einführung in die menschliche Gewinnung des Kupfers aus Bergbaumineralien durch den Menschen regional mit der Geologie und Mineralogie der Kupfererzlagerstätten und ihrer historischen und wirtschaftlichen Nutzung beginnt, das Bergregal als rechtliche Grundlage des Kupfererzbergbaus in den verschiedenen Herrschaftsgebieten der Region und seine staatliche und private Ausübung behandelt und den Kupfererzbergbau im Altkreis Wetzlar systematisch nach den Bergwerksverleihungen darstellt. So wird im einzelnen deutlich, wo, meist lagerstättenbedingt, innerhalb der Verleihung nachhaltiger Bergbau entstanden ist, der begonnene Bergbau bald wieder eingestellt werden mußte, über Untersuchungsarbeiten nicht hinausgekommen ist und wo trotz zunächst bauwürdig erschienenen Fundes gar kein Bergbau stattgefunden hat.

Nach dem Kupfererzbergbau folgt als weiterer Schwerpunkt die historische Kupfererzverhüttung. Sie wird zunächst allgemein in ihrem Ablauf ausführlich beschrieben, der dann auf die regionalen Gegebenheiten übertragen und eingehend dargestellt wird. Die Baukosten-Akte einer regionalen Schmelzhütte aus dem Jahr 1562 ermöglicht dabei einen direkten Vergleich mit den Beschreibungen zu diesem Thema in Georg Agricolas 1556 erschienenem Werk „De re metallica libri XII“, seinen Zwölf Büchern vom Berg- und Hüttenwesen. Karsten Porezag liefert damit erstmals einen Beleg für das im 16. Jahrhundert im Lahn-Dill-Gebiet angewandte Kupferschmelzverfahren.

Karsten Porezag versucht abschließend eine Einordnung und Wertung der regionalen Kupfererzgewinnung und -verhüttung. Im Vergleich zur jahrhundertelang beherrschenden Eisenerzgewinnung und -verhüttung im Lahn-Dill-Gebiet, zu dem Wetzlar gehört, muß sie natürlich bescheiden ausfallen. Da die Wetzlarer Kupfererzbergbau- und -hüttengeschichte aber die regionale Entwicklung des Raumes mitgeprägt hat, war es notwendig, sie wieder ans Licht zu bringen. Dieses mit immenser, sorgfältiger Arbeit verbundene Verdienst gebührt Karsten Porezag!

Schließlich geht der Autor in Exkursen noch auf andere Erzvorkommen und -gruben, Münzprägungen, Hüttenbetriebe, die seine Arbeit auslösenden Kupferbarrenfunde, Personen, Gruß, Spruch, Lieder, Schutzheilige und Sagen der Bergleute ein, weil sie Bezug zum historischen Wetzlarer Kupfererzbergbau haben. Nach einigen historischen Buchtiteln führt er im Anhang die Regenten der Region als Bergregalinhaber auf, erläutert die Signaturen und gibt für die Region wichtige Maße, Gewichte und Münzverhältnisse an. Auch die Zusammenstellung der regionalen historischen Kartenwerke und der Grubenfelder und Mutungsübersichtskarte ist bergbaugeschichtlich wertvoll. Sachwortverzeichnis, Register und Abbildungsnachweis erleichten die Benutzung des Buches.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass Karsten Porezag mit diesem fachlich tiefgehenden Buch ein sowohl für den Bergbau- und Hüttenfachmann als auch für Historiker und interessierte Laien wertvolles bergbau- und regionalgeschichtliches Werk gelungen ist, das wichtige neue Erkenntnisse bringt, die über den regionalen Bezug hinaus Bedeutung haben. Deshalb ist sein Buch auch überregional lesens- und empfehlenswert.